Ein Campus für lebenslanges Lernen

Guben könnte mit einem innovativen Bildungsprojekt zum Vorreiter werden

Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass wir für das Stadtgeflüster das Projekt „Stadtentdecker“ begleitet haben. Damals haben Jugendliche Ideen für die Wiederbelebung der leerstehenden AOK-Villa in der Alten Poststraße entwickelt. Von einer Villa Kunterbunt mit Kita und Gastronomie war damals die Rede – ein Treffpunkt für Familien beiderseits der Neiße. Nun könnten diese vagen Ideen Wirklichkeit werden. Eine im Februar vorgestellte Studie hat die Vision eines Bildungscampus für die Europastadt entworfen.

Die Idee hat durchaus Charme, verbindet sie doch mehrere Chancen zu einem großen Ganzen: Derzeit leerstehende, historische Gebäude in der Innenstadt könnten wieder belebt werden, die ohnehin notwendige Neustrukturierung der Kita- und Schullandschaft ließe sich so optimal gestalten. Zudem entstünde unweit der Neiße ein einzigartiges Bildungs- und Begegnungszentrum für deutsche und polnische Bewohner der Europastadt. Entstehen soll der Bildungscampus unweit der Neiße zwischen Alter Poststraße und Schulstraße. Auf dem Gelände befinden sich drei historische Gebäude, die derzeit leer stehen und die in den Bildungscampus integriert werden könnten: das als „AOK-Villa“ bekannte Haus in der Alten Poststraße 63 im Eigentum der GuWo, das Haus D der alten Tuchfabrik, ebenfalls in der Alten Poststraße und im Eigentum der Städtischen Werke Guben sowie das ehemalige Gefängnis. Der Backsteinbau steht seit fast 30 Jahren leer und gehört ebenfalls der GuWo.

Die Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, warten schon lange auf eine Nachnutzung. Studienautor Patrick Lohr verweist daher auch auf den städtebaulichen Aspekt des Bildungscampus: „Je nach Umsetzung unserer Vorschläge könnten alle drei leerstehenden Gebäude in Nutzung gebracht werden. Das leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stadtentwicklung.“ Aus den Lost Places könnten so echte Herzensorte für die Gubener werden. Im Konzept werden für alle drei Bauten Nutzungskonzepte vorgeschlagen.

Mehr Platz für Kinder

Insgesamt haben die Studienautoren drei mögliche Varianten entworfen, wie der Bildungscampus mit Leben gefüllt werden könnte. Jede dieser Varianten sieht eine neue Kita vor, zudem wird in zwei der drei Varianten die Verlagerung der Friedensschule und der Europaschule auf den Bildungscampus empfohlen. Damit hätte man die Betreuung der Kinder von der Krippe bis zum Schulabschluss an einem Standort zusammengefasst. Da es in der wachsenden Altstadt-Ost im Vergleich zur Oberstadt derzeit kaum Kitaplätze gibt und eine Sanierung der Friedensschule dringend erforderlich ist, kann das als Ausgangspunkt dienen, die Bildungslandschaft der Stadt neu auszurichten.

Ein weiterer zentraler Baustein des Bildungscampus ist ein Begegnungszentrum – dieses könnte im ehemaligen Gefängnis untergebracht werden. Mögliche Nutzungsideen sind ein Eltern-Kind-Zentrum, Räumlichkeiten für ein „Schulverweigererprogramm“ und für Erwachsenenbildung im akademischen Kontext. Auch ein Internat mit bis zu 30 Plätzen für Jugendliche an den weiterführenden Schulen Gubens ist denkbar. Das wäre für jene Kinder interessant, die von außerhalb in die Stadt pendeln. Wenn der Bildungscampus tatsächlich kommt, könnte sich deren Zahl noch erhöhen. Denn der Campus dürfte ein echtes Aushängeschild für die Stadt werden, ist auch Patrick Lohr überzeugt: „Eine Vielzahl von Nutzungen kann den Begriff Campus tatsächlich mit Leben füllen. Damit wird Guben ein attraktiver Bildungs- und Betreuungsstandort für Guben, Gubin und die gesamte Grenzregion.“

Zusammenwachsen der Europastadt

Tatsächlich soll der Bildungscampus nur einen Steinwurf von der Neiße entfernt entstehen. Für die Europastadt Guben/Gubin, die in den vergangenen Jahren immer enger zusammengewachsen ist, könnte der Campus zum nächsten Meilenstein werden. „Der strukturierte Ausbau der sozialen Infrastruktur in diesem Bereich kann einen entscheidenden Beitrag für den Stadtumbau in Guben leisten, die Gubener Innenstadt weiter stärken und neue Impulse für das Zusammenwachsen mit der Partnerstadt Gubin setzen“, heißt es in der Studie. Die Einrichtungen von Kita über Schule bis zum Begegnungszentrum sollen bewusst auch polnische Kinder und Familien adressieren. „Wichtig und sinnvoll wäre eine konsequente bilinguale Ausrichtung“, empfiehlt Patrick Lohr.

Wie es jetzt weitergeht

Die Ideen und Möglichkeiten stehen nun also im Raum. Sie können und sollen jetzt diskutiert werden. Nachdem die Studie Mitte Februar im zuständigen Fachausschuss vorgestellt wurde, sind für die nächsten Monate Workshops zwischen Stadt, Kita-Trägern und Bildungseinrichtungen geplant. Eine der größten Herausforderungen liegt sicherlich in der Finanzierung. Die von den Studienautoren empfohlene Variante schlägt schätzungsweise mit 25 bis 30 Millionen Euro Investitionen zu Buche, wobei der Eigenanteil mit passenden Förderprogrammen deutlich geringer ausfallen dürfte. Für Guben wäre es eine lohnenswerte Investition in die Bildung der jungen Generation. Wie wichtig die ist, hat das zurückliegende Jahr deutlich vor Augen geführt.